An gleich drei Kurzgeschichten versucht sich Gou Tanabe in diesem dünnen Manga: »Die Katzen von Ulthar«, »Celephaïs« und »Die anderen Götter«. Puh. Noch bevor ich die erste Seite aufschlage, habe ich meine Zweifel: Ich habe von Tanabe schon einige Manga-Fassungen Lovecraft’scher Horror-Stories gelesen. Und ich weiß natürlich, dass nicht alle Versuche, Grusel und Wahnsinn derselben in Bilder zu fassen, von Erfolg gekrönt waren.
Meine Erwartungen waren also eher gering. Vielleicht war ich deshalb zunächst positiv überrascht? Achtung: Milde Spoilerwarnung.
Die Katzen von Ulthar
Kurz zum Inhalt.
In Ulthar gehören sie zum Stadtbild wie sonst nur die Fassaden der ältesten Häuser: Katzen. Doch nicht überall sind sie willkommen: An manchen Orten – und die Bewohner munkeln, ein solcher wäre das Haus der beiden merkwürdigen Alten am Stadtrand – sollten sie sich nicht aufhalten. Dort erwartet die Tiere nur ein grausamer Tod.
Der Alltag in Ulthar ist hart. Und so freuen sich die Bewohner der Stadt über die Abwechslung, die in Form einer Karawane über sie kommt. Die Gaukler und Händler, Wahrsager und Kesselflicker sind ein mystisches kleines Volk – und sie kommen natürlich mit Sack, Pack und ihren eigenen Tieren. Als eine Katze verschwindet, bricht das Unheil über die Stadt herein.
Und wie ist es gelungen?
Eine solche Geschichte lebt natürlich davon, wie sie erzählt wird. Und wenn Lovecraft eines kann, dann ist es, seinen Geschichten eine einzigartige Aura zu verleihen. Die mag nicht allen gefallen – aber für mich hat sie etwas bösartig-elektrisierendes. Und viel davon geht verloren, wenn die Art zu erzählen von dem Versuch abgelöst wird, die Worte durch Tuschestriche zu ersetzen.
In diesem Fall allerdings ist das Grauen weit mehr weltlicher Natur, als das in vielen anderen der Fall ist – und deshalb funktioniert diese Übersetzung auch. Die Bilder sind eindrücklich genug, der Story wird Raum gegeben und vor allem gelingt es dem japanischen Künstler, den unterschwelligen Rassismus, der bei HPL eigentlich immer mitschwingt, vollständig in der Versenkung verschwinden zu lassen.
Celephaïs
Worum geht’s nochmal?
Er ist ein Träumer, dessen Leben nur einen Zweck hat: ihm seinen Schlaf zu ermöglichen. Sein einziges Ziel ist freilich ein nahezu unerreichbares: zurück will er. Zurück an den einen Ort, den vor langer Zeit schlafend betreten hatte. Zurück in die Stadt Celephaïs, wo sich die Welt nach seinen Wünschen richtet.
Gelungen?
Na ja. Eher nicht. Diese Geschichte lebt von etwas, das ohnehin nicht zu Lovecraft großen Stärken zählt: Charakterentwicklung. Seine Figuren sind meist stereotyp gehalten und wo andere Meister wie Stephen King eine Handvoll verschiedener Archetypen parat hat, bleibt Lovecraft recht einseitig. Dieser eher schlichten Figur also die Entwicklung zu nehmen (oder sie zumindest durch das Weglassen von ordentlichen Trennungen zwischen seinen Ausflügen nahezu unsichtbar zu machen), lässt den Versuch in meinen Augen schwer scheitern.
Die anderen Götter
Was wir lesen.
Unser wissbegieriger Protagonist schließt sich einem besessenen Mann an: Die Götter, so behauptet dieser, würden zurückkehren; und sei es nur für kurze Zeit. Mit eisernem Willen und der notwendigen Hingabe wäre es möglich, sie zumindest zu sehen. Also machen sie sich auf um dem kosmischen Ereignis beizuwohnen – um jeden Preis.
Wie es lief.
Hier befinden wir uns ein wenig zwischen den beiden anderen Stories – zumindest, was den Erfolg Tanabes anlangt, die Geschichte einzufangen. Anfangs läuft es noch ziemlich gut – Stimmung und Figuren werden ordentlich eingeführt, die Bühne wird vorbereitet und … dann scheitert alles am Darstellen eben jener Elemente, die dem “Cosmic Horror” des Altmeisters seine besondere Note verleihen. Zum Teil vielleicht auch, weil das nicht-kolorieren dem Bild etwas nimmt, das in solchen Fällen notwendig wäre: Das Spektakel. Ohne Farbe wird es leider schnell verwirrend und blass. Wer hätte es geahnt. Schade.
Fazit
Lovecrafts „Katzen von Ulthar“ gehören sicher zu den bekannteren Werken des Meisters. Und auch, wenn „Celephaïs“ und „Die anderen Götter“ zweifelsfrei ihr eigenes Potenzial haben: neben den Katzen verblassen sie. Das gilt, meiner Meinung nach, für die Texte genauso wie für die Manga-Adaption.
Besonders „Celephaïs“ leidet einigermaßen unter dem kurzen Format. Die vielen kleinen Teile der Story können, auf Grund der notwendigen Erzähldichte der Panels, einfach nicht sauber voneinander abgegrenzt werden, sodass die Entwicklung der Figur mir zu sehr auf der auf der Strecke bleibt. Und das, obwohl das, wie schon erwähnt, ohnehin nicht Lovecrafts Stärke ist.
Ein paar Bilder bleiben trotzdem hängen, können den Flair der Geschichten durchaus einfangen. Definitiv nicht Tanabes beste Werke – aber eben auch nicht die Glanzstücke Lovecrafts.
-ds

Angaben
Gou Tanabe
H.P. Lovecrafts »Die Katzen von Ulthar«
und andere Geschichten
Carlsen Verlag / 216 Seiten
(Taschenbuch)
€ 14.00 (DE)
€ 14.40 (AT)
ISBN 9783551805621
📷 Das Bild im Hintergrund stammt von Hristo Fidanov